Editorial, Samstag, 21. Juni 2025

Veröffentlicht am: 20. Juni 2025|Kategorien: Blog|

Liebe Leserinnen,

liebe Leser,

der Raketenbeschuss zwischen Israel und Iran überlagert derzeit fast alle anderen Themen. Viele Menschen haben sich in den letzten Tagen intensiv mit Atomwaffen, Völkerrecht und Kriegsszenarien beschäftigt – gefüttert von Nachrichten, Sondersendungen und Social-Media-Formaten. Andere Entwicklungen rücken dabei in den Hintergrund.

So etwa die Klimakrise, die sich zwar langsamer, aber nicht weniger dramatisch zuspitzt. In Bonn trafen sich diese Woche Delegierte aus aller Welt zur Vorbereitung des nächsten Klimagipfels – medial kaum beachtet. Dabei streichen viele Industrieländer derzeit klimapolitische Ziele. Die Folgen: mehr Hunger, Flucht, Konflikte. Und in wohlhabenderen Regionen Migration, Populismus, gesellschaftliche Spannungen – Entwicklungen, die längst begonnen haben.

Gleichzeitig nimmt das Interesse der Bevölkerung am Thema Klima spürbar ab. Studien belegen eine wachsende „Klimamüdigkeit“: Weniger als die Hälfte der Deutschen unterstützt strengere Maßnahmen, viele wollen vom Thema gar nichts mehr hören. Politik und Medien reagieren darauf – mit Zurückhaltung.

Auch andere humanitäre Krisen verschwinden aus dem Fokus. Der Krieg im Sudan etwa hat über 12 Millionen Menschen zur Flucht gezwungen, rund 150.000 starben – trotzdem findet das kaum mediale Aufmerksamkeit. Ähnliches gilt für die humanitäre Katastrophe in Gaza.

Einmal im Jahr stellt die Initiative Nachrichtenaufklärung eine Liste der meistverdrängten Themen zusammen – ausgewählt von einer Jury aus Journalisten und Wissenschaftleren. In diesem Jahr dabei: deutsche Rüstungsexporte, die in Konflikten mit Kindersoldaten landen, das überfüllte Flüchtlingslager auf Samos, oder die Lebensrealität arbeitender Wohnungsloser in Deutschland. Dauerhafte Missstände geraten oft ins Abseits – sie passen nicht ins Format oder scheinen „schon berichtet”.

Doch genau darin liegt das Problem. Wenn journalistische Auswahlmechanismen nur noch dem vermeintlichen Interesse folgen, bleiben wesentliche Themen auf der Strecke. „Schreiben, was ist“ – dieser Grundsatz sollte auch heute noch gelten. Es geht nicht darum, nur das Naheliegende oder Erwartbare zu zeigen, sondern die Realität in ihrer ganzen Tiefe sichtbar zu machen.

Das Tagblatt-Team wünscht Ihnen ein
schönes Wochenende!

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